Bleistifte

Bleistifte

Die erste Fassung meines Romans »Kruso« habe ich mit Bleistift in Ringblöcke geschrieben. Bei der Schreibarbeit versuche ich, so lange wie möglich im Schriftbild dieser Bleistiftfassung zu bleiben, weil die Handschrift einen Zugang zum Stoff ermöglicht oder offen hält, den ich mit der dann folgenden Maschinenfassung verliere. Der Computerausdruck behauptet eine Art eigene Autorität – er tut so, als wäre er schon etwas, und ist störrisch in der weiteren Überarbeitung.

In der Regel schreibe und überarbeite ich also so lange wie möglich mit dem Bleistift. Das sind Stifte mittlerer Härte (HB), die immer sehr spitz und frisch sein müssen und die ich nur bis zu einer gewissen Länge benutzen kann – ist der Stift etwa auf zwei Drittel seiner ursprünglichen Länge heruntergeschrieben, liegt er nicht mehr gut genug in der Hand und ich brauche einen neuen Stift. Mein Verschleiß ist enorm. Am allerbesten ist der lange, bis zum Äußersten angespitzte Bleistift – so spitz, dass gleich beim ersten Wort ein wenig vom Graphit wegsplittert und eine winzige Explosionsspur übers Blatt zieht. Der Ausdruck »überspitzt« leuchtet mir vollkommen ein. Die Zweidrittel-Bleistifte sammeln sich dann zu Hunderten in meinem Schreibschrank; ich kann nicht mehr gut damit schreiben, aber wegwerfen kann ich sie auch nicht, das wäre ganz unmöglich.

Dieser Text enstand für die Wanderausstellung »Das Original! – Zehn Jahre Deutscher Buchpreis«, eine Kooperation des Deutschem Literaturarchivs Marbach und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

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