»Am liebsten sähe ich mich nur noch als Text.« Kurze Geschichte eines Manuskripts
»Am liebsten sähe ich mich nur noch als Text.« Kurze Geschichte eines Manuskripts

»Am liebsten sähe ich mich nur noch als Text.«
Kurze Geschichte eines Manuskripts

Im Juli 2021 habe ich an Andreas Koziol geschrieben und ihn nach neuen Texten gefragt. Seine Gedichte und Essays hatte ich immer bewundert – ich sage es hier so verkürzt und banal –, aber inzwischen war schon lange nichts mehr von ihm zu lesen gewesen. Über dieses Vermissen (fast ohne Pathos nenne ich es „Sehnsucht nach Texten von AK“) hatte ich in jenem Sommer mit Henryk Gericke gesprochen, den eine Freundschaft mit Koziol verband. Wir waren uns ganz einig darin, dass AK zu den Großen seiner Generation gezählt werden musste. Henryk Gericke war es auch, der mich ermutigt hat zu jenem vielleicht eher ungewöhnlichen Schritt, mich direkt an Andreas zu wenden – er gab mir die Adresse und stellte die Verbindung her. AK meldete sich bald, und so begann unsere etwa zwei Jahre andauernde Korrespondenz, die schließlich jenes Manuskripts zur Folge hatte, das hier, wunderbarer Weise, als Buch erschienen ist. „Menschenkunde“ ist zugleich ein Vermächtnis, denn Andreas starb kurz nach Fertigstellung des Manuskripts …

(Die vollständige Fassung des Nachworts, das die Entstehung des Manuskripts beschreibt, ist nachzulesen im Gedichtband „Menschenkunde“ von Andreas Koziol.)

Andreas Koziol

Über die Guten

Wo sind die Guten wenn man sie braucht
Es heißt sie wären untergetaucht
Es heißt sie wurden sich selber zu schwer
und wären versunken wie Steine im Meer

Alles was gut ist im Grund muß verstehn
daß dies ein Grund ist zugrunde zu gehn
Die Guten mußten den Besseren weichen
Sie konnten ihnen das Wasser nicht reichen

und wurden verdrängt oder wollten nicht mehr
Das Glas ist halbvoll das Glas ist halbleer
Das Glas ist doppelt so groß wie es sein muß
Doch Flaschen haben da größeren Einfluß

Wir sind die Guten – so prahlt die Fassade
Das falsche Leben kennt keine Gnade
Der schlechtere Teil macht den besseren Deal
Das war schon immer des Guten zuviel

Nein gar nichts ist gut weil alles ist besser
Vergütungen fischen in trübem Gewässer
Und wer die Guten zu schmerzlich vermißt
Der gehe ins Meer bis er bei ihnen ist

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