Sabrina

Sabrina

Eine Erzählung

Editorial

In diesem letzten Teil der „Paradiesischen Dialoge“ begegnen sich zwei Große ihres Fachs: der Künstler Michael Morgner und der Schriftsteller Lutz Seiler. Wenn ich Morgner hier die (pardon) „Sammelbezeichnung“ Künstler gebe, dann weil sein Werk so vielgestaltig ist, dass man es wie einen eigenen Planeten betritt. Er ist Maler, Zeichner, Plastiker, als solcher Erfinder seines Schreitenden, Aktionskünstler, Collageur/Decollageur, früher 8mm-Filmer, später Videoperformer und hat sich mit seiner Technik der Lavage eine eigene Form erfunden, mit der er Farbe von Papieren abwäscht, bis sie ein überraschendes Darunter freigeben. Im Kern dieser Arbeitsweise trifft er sich mit dem Schriftsteller Lutz Seiler, der ihn sich als Dialogpartner für diese Edition ausgewählt hat. Beiden geht es darum, allem, was sich der Benennbarkeit, der Sprache, dem Begriff entzieht, Form zu geben. In diesem Punkt liegt das Geheimnis von Kunst. Seiler weiß, dass da noch ein geheimer Bezirk ist, wenn er schreibt: „Dass ich nicht nur das bin, woran ich mich erinnere.“ – Nicht anders Michael Morgner. Auch er bewegt sich als Künstler in einer Welt, die der Sprache verschlossen ist.

Selbst Urknall und Auferstehung lieferten Morgner eine Form. – „Das Ende der Kindheit, was könnte das sein“, so lautet Lutz Seilers Ausgangsfrage. In seiner Erzählung SABRINA sucht er nach dem Gesicht eines Mädchens und kann es auch nach 48 Jahren nicht finden. Ist sie deshalb nicht „er­zählbar“? Bleibt sie der „weiße Fleck“? Plötzlich ist Seilers Erzählung über die Suche nach der Stunde, in der die Kindheit endet, zu einer Frage nach den Dingen geworden, die nicht benennbar sind, nach der Geschichte jenseits von Literatur.

Auf Seilers Frage gibt es eine Antwort in Michael Morgners Grafiken, die sich in dieser Edition auf wunderbare Weise mit dem Text verbinden. Beide betreten den Kontinent des Nicht-Wissens. Morgners Formen sind alles erfundene „Gesichter“, nicht benennbar, aber zunehmend oder abnehmend, anschwellend oder abschwellend, im Bunde mit Weiß oder im Bunde mit Schwarz, in jedem Fall so klar in der Form, dass sie abstrakt gar nicht sein können. Morgners Arbeiten changieren im doppelten Wortsinn: traumhaft zwischen Weiß und Schwarz. Dass er für den Druck die inzwischen selten benutzte Technik der Heliogravüre gewählt hat, scheint alles andere als ein Zufall. Mit ihr vermag er echte Halbtöne ohne die Verwendung von Rastern darstellbar zu machen. Die Halbtonvorlagen werden dabei fotomechanisch auf eine Tiefdruckplatte übertragen. So kann der große Umfang an Tonwerten, in denen die geheime Botschaft zur Form gefunden hat, sichtbar werden. – Beide, Michael Morgner und Lutz Seiler, präsentieren in dieser Edition einen paradiesischen Dialog über nichts Geringeres als das Magische der Kunst.

MICHAEL HAMETNER als Herausgeber

Impressum

Siebenter Druck der Reihe »Paradiesische Dialoge«,
herausgegeben von Michael Hametner
für den Leipziger Bibliophilen-Abend e. V. im Jahr 2024.

64 Seiten. Format 25 mal 31 cm.

Vier Heliogravüren für diese Edition
schuf Michael Morgner,
gedruckt von Vlado & Maria Ondrej
im Atelier für zeitgenössische Radierung,
auf Büttenpapier 120 g/m2.

Die Gesamtgestaltung und den Satz in der
Rosart regular und italic
Klub 03 (bold) & Klub 04 (black)
Breite-Fette Antiqua
führte Kristina Brusa aus.

Den Druck auf 150 g/m2 Pergraphica smooth classic
übernahm Thomas Druck Leipzig.

Die Einbände mit den Materalien
Imitlin, Nero — Sirio Ultra Black — Cryluxe, rosa
fertigte die Buchmanufaktur Müller Leipzig.

Die Auflage besteht aus 99 arabisch nummerierten
Exemplaren. Die Nummern 1 – 30 erscheinen als Vorzugsausgabe, denen eine weitere Heliogravüre von Michael Morgner beiliegt.
20 zusätzliche römisch nummerierte Exemplare erscheinen als Künstler- und Verlegerexemplare.

Alle Bücher sind von Lutz Seiler, Michael Morgner und Kristina Brusa signiert. € 300,—

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